Das Thema Ehen zwischen Deutschen und Ausländer und die damit verbundenen Problemen und Leiden ist zu einer meiner Schwerpunkte geworden als, im Laufe der Zeit, sich immer mehr Erfahrung und Wissen gesammelt haben über die bewussten und unbewussten Triebfeder dieser Ehen.
Ausländische Bürger suchen psychotherapeutische Hilfe, wenn sie unter den Folgen belastender und/oder traumatischer Erfahrungen leiden. Es unterscheiden sich zwei Gruppen: die eine Gruppe umfasst traumatisierte Menschen, die vor Folter und Krieg geflüchtet sind. In der anderen Gruppe gehören Menschen in akuten Krisensituationen (z.B. Trennung) und solche, die dauerhaft unter belastenden Bedingungen leben, die sie krank machen (z.B. mit der Angst abgeschoben zu werden).
Belastend ist auch, wenn ein Mensch in einer unglücklichen, zerrütteten Ehe leben muss, weil nur durch diese Ehe, mit einem deutschen Staatsangehöriger, eine Aufenthaltsgenehmigung erlangt werden kann. Bei einer Trennung muss die Abschiebung gefürchtet werden. Nach der aktuellen Gesetzeslage muss die Ehe in Deutschland drei Jahre bestanden haben, bevor die selbständige Niederlassung beantragt werden kann.
Manche dieser Ehen bauen auf Urlaubsbekanntschaften und sind schon vor der Einreise nach Deutschland geschlossen worden. Es wird geheiratet trotz Kenntnis der Tatsache, dass die Eheschließung vor der Abschiebung schützt bzw. eine Aufenthaltsgenehmigung in Deutschland sichern soll.
Für den ausländischen Partner gleicht die Eheschließung einem Versprechen dem Armut und der Gefahr im Heimatland entfliehen zu können. Meistens muss die zurückgelassene Familie finanziell unterstützt werden oder es sollen später eigene Kinder nachgeholt werden.
Vor diesem Hintergrund erscheint der deutsche heiratswillige Partner als Retter in der Not und die Euphorie gefunden und die Dankbarkeit gerettet worden zu sein können Anfangs wie Verliebtheit erscheinen.
Der anfänglichen Erleichterung folgen die Beschwerlichkeiten des Zusammenlebens im Alltag zweier Menschen mit völlig verschiedenen Bedürfnissen und Interessen. Langsam setzt sich die Erkenntnis durch, dass man es mit diesem Menschen drei Jahre aushalten muss. Dabei liegen die emotionalen Prioritäten auf dem Wunsch in einem sicheren Land besser zu leben und sie nehmen viel mehr Raum ein als das echte Interesse für den Partner.
Das Dilemma ist: der Wunsch nach Sicherheit und nach einem besseren Leben kann nur erfüllt werden, wenn die Ehe lang genug bestanden hat, damit eine Abschiebung unwahrscheinlich wird.
Die (scheinbare) Lösung ist eine Als-ob-Ehe (engl. Fake-Marriage, Fake-Life), das heißt, so tun, als ob man diese Ehe, mit diesem Partner führen will.
Ein Als-ob-Zustand bedeutet eine Fassade aufzubauen hinter der die echten Gefühle, Sehnsüchte und Bedürfnisse versteckt bleiben. Dies erfordert enorme seelische Anstrengungen. Die Betroffenen leiden unter dieser Spaltung und unter dem Verzicht auf Authentizität und entwickeln auf Dauer Beschwerden psychischer und psychosomatischer Art, wie innere Unruhe, Nervosität, Schlafstörungen, Antrieb- und Lustlosigkeit, Verspannungen und Schmerzen, Suchtverhalten.
Psychotherapie, psychosoziale Unterstützung und Rechtsberatung sollen helfen, diese Lebensphase zu überstehen.
Eine Eheberatung kann deeskalierend wirken. Sie kann auch dem deutschen Partner den Weg in eine eigene Psychotherapie ebnen.
Hinter der Eile einen Fremden zu heiraten, der sich zudem in einer völlig instabilen Lebenssituation mit unsicherer Zukunft befindet, also abhängig ist, steckt eine Machtfalle.
Das ungleiche Machtverhältnis aufgrund der aufenthaltsrechtlichen und finanziellen Abhängigkeit sind kennzeichnend für die Als-ob-Ehe.
Hinter dem Wunsch einen Fremden, abhängigen an sich zu binden stecken eigene ungelöste seelische Konflikte und Defizite. Meistens sind es frühe Beziehungstraumata durch Gewalt und Vernachlässigung in der Lebensgeschichte zu erkennen. Häufige Beziehungsabbrüche und die wiederholte Erfahrung vernachlässigt und verlassen zu werden bestimmen das Beziehungsmuster.
Vor diesem Hintergrund wird der Wunsch, endlich Mal jemanden für sich zu haben und an sich zu binden, verstehbar. Nur sind die Bedingungen in diesem Fall nicht für eine gesunde und stabile Beziehung geeignet.
Um sich aus dieser Verstrickung zu befreien und das Beziehungsmuster zu hinterfragen und zu ändern, empfiehlt sich dringend eine Psychotherapie.